Zum Thema Minimalismus hat einer ganz viel zu sagen: Joachim Klöckner. Im weißen Overall mit gelbem T-Shirt-Tupfer ist er zurzeit in allen Medien präsent. Sein Credo: Nachhaltigkeit braucht keinen erhobenen Zeigefinger. Nachhaltigkeit braucht Wohlfühlen! Seine Theorie leuchtet ein.

Wie Joachim Klöckner in mein Blog kam

Im letzten Sommer standen zwei Dinge fest: Ich hatte beschlossen, mich als Freelancer selbstständig zu machen, und: ein Blog über Nachhaltigkeit zu starten. Während das Existenzgründerseminar seinen Lauf nahm und ich mich mit dem Gedanken an meinen ersten Businessplan anfreundete, lief mir auf dem großartigen Berliner Beats for Needs Festival Joachim Klöckner über den Weg. Sein Workshop „Wohlfühlen und Verändern“ zog mich magisch an.

Es wurde dann alles ganz anders: Das Festival war wunderbar, aber aus unerfindlichen Gründen nur spärlich besucht. So fand ich mich als Einzige in Joachims Workshop wieder und erfuhr im intensiven Dialog seine volle und freundliche Aufmerksamkeit zu meinen geplanten Unternehmungen. Mein Entschluss, mich mit Crowdfunding Beratung für nachhaltige und soziale Projekte selbstständig zu machen, machte mich glücklich. Wie sich zeigte, war dieses „Glücklichsein“ komplett mit Joachims Wohlfühl-Modell kompatibel: Bewusst hatte ich mich für die Selbstständigkeit entschieden, um meine Werte zu leben – Freiheit, Wachstum, Hilfsbereitschaft, Qualität und Authentizität. Und beim Crowdfunding kooperiere ich mit anderen und generiere mehr Nachhaltigkeit.

Unbewusst folgte ich Joachims Maxime „Tue Gutes für dich, für andere und die Welt“ und fühlte mich damit wohl wie ein Flummi. Und nun zu Joachims Modell, das er aus seinen Erfahrungen und Eindrücken abgeleitet hat. 

Joachim Klöckners Wohlfühl-Modell

Joachim verwendet den Begriff „Wohlfühlen“ anstelle von „Glücklichsein“, weil beim Ausdruck „Glück“ im Deutschen nicht klar wird, ob dieses von außen kommt, also als unerwartetes Geschenk, oder von innen. Er meint aber das innere Glück – auf körperlicher Ebene, ausgelöst durch die sogenannten Glückshormone. Generell unterscheidet Joachim das Reaktionssystem und das Aktionssystem. 

Die drei Qualitäten des Aktionssystems

Im Aktionssystem sind drei Qualitäten entscheidend, die fürs Wohlfühlen eine Rolle spielen. Sie bedingen einander, bauen aber nicht aufeinander auf. „Angefeuert“ werden sie vom körpereigenen Motivationssystem (früher Belohnungssystem genannt) aus Neurotransmittern.

1 Selbstsein. Glückshormon: Dopamin. 
Die Entscheidung, für sich selbst aktiv zu sein, sich etwas Gutes zu tun, den Tank mit Glückshormonen aufzufüllen, trägt ausschlaggebend zum Wohlbefinden bei.  Selbstsein meint authentisch sein. Es beinhaltet die Selbsterweiterung, z.B. durch Lernen. Bei kleinen Kindern ist das Selbstsein von Geburt an vorhanden – sie wollen ständig alles selbst ausprobieren und aktiv werden, um Dopamin zu produzieren. Das Selbstsein bildet die Basis für zwei weitere Qualitäten: Kooperation und Verbundensein, denn Verständnis braucht das Selbstverständnis und Liebe braucht die Selbstliebe. Wir selbst müssen gesättigt sein und wissen, wer wir sind, bevor wir anderen empathisch begegnen können.

2 Verbundensein. Glückshormon: Oxytocin.
Wohlwollende Begegnung auf Augenhöhe – kann z.B. durch einen Dialog entstehen oder auch, indem wir uns in ein Café oder ein Coworking Space setzen und die Anwesenheit der anderen einfach genießen und spüren. Durch das körpereigene Motivationssystem wird schon vor der Begegnung ein kleiner Glückshormoncocktail ausgeschüttet, der uns dazu antreibt, uns mit anderen zu verbinden. Ab dem Moment, ab dem wir aus dem eigenen Antrieb heraus den Entschluss fassen, aktiv zu werden, entsteht Vorfreude. Beim Tun oder einer Kooperation selbst erfolgt dann die volle Ausschüttung der Glückshormone, die zu vollkommenem Wohlfühlen führen.

3 Kooperieren. Glückshormon: Serotonin.
Das Wohlbefinden tritt nicht zwangsläufig schon beim einfachen Zusammenarbeiten ein. Erst ein aktives Miteinander und das gemeinsame Tun von etwas Gutem führen zum Wohlbefinden.

Die drei Qualitäten des Selbstseins

Das Selbstsein hat wiederum drei (wandelbare) Qualitäten: Es setzt sich zusammen aus:

1 Genetischer Veranlagung.
Diese Veranlagung ist jedoch veränderbar! Denn es gibt so etwas wie einen Genschalter. Gene können erwiesenermaßen an- und ausgeschaltet werden. Zum Beispiel gewöhnt sich der Körper in südlichen Ländern nach relativ kurzer Zeit an hohe Temperaturen und friert schneller – in diesem Fall ist der Genschalter für warm/ kalt umgeschaltet worden. Das ist nicht mit einer Genveränderung zu verwechseln, es findet nur eine Genumschaltung statt, die wieder rückgängig gemacht werden kann.

2 Erfahrungen aus der Erziehung und dem Erleben.

3 Vorstellungen, in Form von Positionen. 
Das sind etwa Visionen, Glaubenssätze oder Manifestationen – ganz wie man es nennen möchte. Die Vorstellungen kommen idealerweise nicht in Form von Negationen daher. Beispiel: Eine Negation wäre: „Ich höre auf zu rauchen.“ Eine Position: „Ich sorge für eine saubere Lunge“. Negationen sind ungünstiger, weil unser Organismus sie immer erst in eine Position übersetzen muss, damit wir ins Handeln kommen können.

Die WinWinWin-Situation

Ein optimales Aktionssystem entsteht allerdings erst durch eine WinWinWin-Situation. Joachim fordert: „Tue Gutes für dich, für andere und das Ganze“. Mit dem Ganzen kann ein Team, eine Beziehung, ein Projekt oder die Mitwelt gemeint sein. (Joachim Klöckner gebraucht lieber den Begriff Mitwelt statt Umwelt, weil damit das Verbundensein und die Integration des Einzelnen besser zum Ausdruck kommen.) Es stellt sich also die Frage: „Was ist gut?“ Nach Joachims Meinung ist eine Tat erst gut, wenn alle drei genannten Qualitäten zusammenkommen: Etwas Gutes entsteht, wenn es gleichzeitig für mich, für den anderen und für die Welt gut ist. Und für die Welt ist es gut, wenn es enkeltauglich, bzw. nachhaltig ist. Wenn sich also zum Beispiel jemand ein Auto kauft, ist das für ihn (das Selbst) und eventuell die Familie (die Anderen) gut, aber nicht für die Welt – über ein Elektroauto könnte man dann diskutieren.

Das Reaktionssystem

In Kontrast zum Aktionssystem sieht Joachim das Reaktionssystem. Wir reagieren zum Beispiel auf Anweisungen von Lehrer*innen und auf vermeintliche Gefahren, die ursprünglich tatsächlich existenziell gefährlich waren, oder wir erledigen die von außen an uns herangetragenen Aufgaben. Dabei wird in unserem Körper der Botenstoff Adrenalin freigesetzt. Wenn die Aufgabe dann erledigt ist, wird Noradrenalin als Glückshormon ausgeschüttet, womit das Adrenalin wieder ausgeglichen wird. Wenn Adrenalin allerdings über längere Zeit nicht ausreichend abgebaut wird, droht ein Burnout. Depression entsteht übrigens, wie Joachim erklärt, wenn die Stoffe Dopamin, Oxytocin und Serotonin nicht aktiviert werden. Wenn wir also nicht aus eigenem Antrieb, aus unserem gesättigten Selbst heraus, im Sinne der Anderen und der Mitwelt, handeln.

Das Fazit lautet:

Beide Systeme funktionieren. Jedoch ist recht einleuchtend, dass wir besser auf das Aktionssystem setzen sollten. Es sorgt für genauso viel Power wie das Reaktionssystem, hat aber den zusätzlichen Vorteil, zu unserem Wohlbefinden beizutragen!

Wir tun uns also Gutes, wenn wir unser Selbst nähren, unser Leben aktiv selbst gestalten und gleichzeitig für Andere und die Welt sorgen. Das tut im Idealfall eher nicht weh (Reaktionssystem), sondern macht sogar Spaß und trägt zum Wohlbefinden bei (Aktionssystem). Oder zum Glück, wenn du es lieber so nennen möchtest. Und das Spannende daran: Alles ist wandelbar! Du kannst an allen beschriebenen Qualitäten arbeiten, um deinen Weg selbst zu bestimmen und dabei glücklich zu sein.